Moralisieren ohne Moral

13 November 2017

15:30

Tutzing, DE

Moral ohne Schuld?

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MORALISIEREN OHNE MORAL

Über die postmoderne Produktion von Unpersonen

(Abstract)


Robert Pfaller


Man kann sich gegenwärtig wohl nur schwer des Eindrucks erwehren, dass das Moralisieren in der Epoche, in der wir leben, Hochkonjunktur hat. Die Postmoderne scheint sozusagen besonders günstige Bedingungen für die Geschäftsbetätigung der Moral, das Moralisieren, bereitzuhalten: Wir finden es als Ersatz für Kunst wie für Politik, für Ethik wie für Diätetik, und es befeuert die Mikropolitiken des Alltagslebens. Wir moralisieren gerne und leidenschaftlich gegen eine Vielzahl postmoderner Unpersonen und Gottseibeiunse, wie sogenannte Rassisten, Faschisten, Sexisten, Homophobe, Transphobe, Antiasexuelle, Islamophobe, Ableisten, Privilegierte, kulturelle Aneigner, mangelhaft Sensibilisierte und viele andere mehr.


Dabei zeigt sich meist schnell eine Besonderheit. Anders als das Sprechen, das sich ohne die Struktur der Sprache nicht verstehen lässt, kann das postmoderne Moralisieren nur insofern adäquat verstanden werden, als es jegliche Moral vermissen lässt. Man wollte antiautoritär sein und wird hochgradig autoritär; man wollte kritisch sein und zensuriert jeglichen Dissens; man propagiert Inklusion und schließt sogar die bravsten Gleichgesinnten aus. Es scheint ein Moralisieren ohne Moral zu sein; eines, das sich sogar gegen die eigenen Prinzipien der Moral durchsetzt.